02.10.2025

Fast zehn Jahre Suche: von Egypt: Old Kingdom zu Next Run

Konzept von Nomaden und Siedlern

Hallo, ich heiße Michail Wassiljew und entwickle seit über 13 Jahren Strategiespiele unter der Marke Clarus Victoria.

Seit 2015 haben die Spiele von Clarus Victoria ihr Publikum und Anerkennung gefunden.

Historische, erzählerische Strategiespiele über das Alte Ägypten und die Antike erwiesen sich als „Blauer Ozean“ – eine Nische mit kaum Konkurrenz und stabiler Nachfrage.

An den Spielen beteiligten sich beratend Ägyptologen, was die Projekte für Fans historischer Genauigkeit besonders wertvoll machte. Auf dem Höhepunkt zählte das Team – inklusive externer Fachleute und engagierter Freiwilliger – 20–30 Personen.

Bis 2018, als Egypt: Old Kingdom erschien, lief alles gut. Doch dann entschied ich, dass langsames Fortsetzen in Form von Sequels nicht meins ist.

Finanzkennzahlen

Unten stehen die jährlichen Verkaufszahlen, die zeigen, wie das Interesse an unseren Spielen wuchs:

Finanzdiagramme des Studios

Steam, Brutto, ohne Abzüge

  • 2015 — 73.511 $ / 22.274 Kopien — Marble Age
  • 2016 — 130.308 $ / 28.699 Kopien — Predynastic Egypt
  • 2017 — 185.880 $ / 35.801 Kopien
  • 2018 — 336.363 $ / 67.223 Kopien — Egypt: Old Kingdom
  • 2019 — 202.750 $ / 58.329 Kopien
  • 2020 — 181.017 $ / 65.206 Kopien — Marble Age: Remastered
  • 2021 — 98.222 $ / 37.194 Kopien
  • 2022 — 91.451 $ / 50.403 Kopien
  • 2023 — 52.518 $ / 32.724 Kopien
  • 2024 — 41.136 $ / 20.154 Kopien

📌 Insgesamt brachte Steam über 1,4 Mio. $. Apple legte ~24,3 % obendrauf. Zusammen mit anderen Stores ergibt das rund 2 Mio. $, für die weltweit über 600.000 Kopien gekauft wurden.

Schwächen der Spiele

Dürre in der Wüste

Trotz der Erfolge sammelten sich grundlegende Limitierungen an:

  • Zu langsames Tempo. Die Entwicklung eines Spiels dauerte über ein Jahr – Karten, Stile, Artworks wurden stets neu gemacht. Spieler forderten China, Mesopotamien, Rom – doch die Ressourcen reichten nicht.
  • Fehlende Wiederspielbarkeit. Der Durchschnittsscore bei Steam ~88 %, aber fast die Hälfte der negativen Reviews drehte sich darum: Durchgespielt – und kein Anreiz für einen weiteren Run.
  • Keine Figur. Der Spieler steuerte einen „abstrakten allmächtigen Gott“, was die Immersion minderte. Ich suchte Wege, dem Spieler Persönlichkeit und Rolle zu geben.
  • Abstrakte Mechaniken. Zufallsereignisse und viele Entscheidungen wirkten zu schematisch. Tiefe und Details fehlten.
  • Wunsch nach einem „universellen Spiel“. Nicht nur Geschichte nacherzählen, sondern ein System bauen, das Genres, Settings und Rollen frei mischen lässt.

Weichenstellung

Alternativer Sternenhimmel

An diesen Fragen arbeitete ich bereits während Predynastic Egypt. Ich studierte andere Spiele intensiver und schaute, wie sie ähnliche Aufgaben lösen. Dabei fiel auf: Computer- und Brettstrategien, RPGs und Simulationen nutzen eigentlich dieselben Prinzipien – nur anders verpackt.

Als ich universelle Pen-&-Paper-Systeme wie GURPS und Savage Worlds kennenlernte, sah ich, wie weit sich diese gemeinsamen Prinzipien skalieren lassen.

In meinem Kopf entstand eine klare Richtung – wohin Spiele der Zukunft gehen sollten und welche riesigen Möglichkeiten in modernen Spielen ungenutzt bleiben. Diese Erkenntnis traf mich tief, und ich beschloss, meine weitere Arbeit genau diesem Thema zu widmen.

Seitdem begann ich mit Experimenten. Selbst Egypt: Old Kingdom entstand bereits „mit dem Kopf in den Wolken“ – mit Gedanken an das bessere Spiel. Einige Ideen fanden dort ihren Weg, etwa Kartenobjekte wie Löwen oder Verfluchte Lande.

Die ideale und die universelle Spielidee

Niederlage der Reptiloiden

Nach den historischen Strategien ging ich an neue Ideen. Das „Ideale Endergebnis“ (TRIZ) formulierte ich als die Schaffung des idealen Computerspiels.

Das ideale Spiel ist eines, in dem der Mensch alles sein, alles tun und in einer Welt leben kann, die von der Realität nicht zu unterscheiden ist. Mir war klar, dass es noch nicht alle nötigen Technologien gibt. Also musste man sich in diese Richtung bewegen.

Auf dem Weg dorthin liegt eine wichtige Etappe – das universelle Spiel. Seine Aufgabe ist einfacher: Mechaniken schaffen, die innerhalb einer Regelbasis Genres, Settings, Maßstäbe und Rollen frei kombinieren lassen.

Analysen zeigten, dass es früher Versuche gab, die Universalität aber stets unvollständig blieb (Cultist Simulator ist ein gutes Beispiel).

Meine Idee entstand aus einer simplen Frage: Was, wenn man ein Spiel als Dialog zwischen Spieler und Welt in einer „Spielsprache“ denkt? Wie aus Buchstaben Wörter und aus Wörtern unzählige Sätze werden, so lassen sich aus „Spielbausteinen“ unterschiedlichste Situationen zusammensetzen – nicht als fertige Skripte, sondern durch kombinierbare Regeln.

Experimente

Experimentelle Flint-Age-Screens

So begannen Experimente Richtung Universalität. Erst Berechnungen „auf dem Papier“, dann Aufgaben an Programmierer und Artists. 2018–2022 waren mehrere Projekte in Arbeit: Egypt New Kingdom, Primal Australia, Population, Adaptarium, Rome. Doch jedes stoppte: Die Universalität führte in Sackgassen und der Spielfluss wurde uninteressant.

Nicht alle im Team waren dafür zu begeistern, später kam Ressourcenmangel hinzu. Schritt für Schritt löste sich das Team auf.

Die letzten Jahre (2021–2025) arbeitete ich allein. Das verlangsamte vieles, gab aber volle Kontrolle – von der Code-Architektur bis zum Gamedesign-Detail. Dennoch landeten Experimente wieder und wieder in Sackgassen: Projekte wurden eingefroren oder verworfen. Manchmal schien die Universalität unerreichbar – selbst die Autoren von GURPS konnten ihre Systeme nie erfolgreich ins Digitale übertragen.

Von all den Experimenten schaffte es nur Flint Age (2022) bis zum Release. Kantig und unbequem, aber für mich ein wichtiger Meilenstein.

Danach und nach einigen eingefrorenen Projekten war klar: Das Genre historischer Strategien begrenzt von sich aus. Ich versuchte etwas völlig anderes – und plötzlich bewegte sich alles. Es fühlte sich wie Magie an, die Puzzleteile fügten sich zusammen. So entstand Next Run.

Next Run

Illustration zu Next Run

Next Run ermöglichte die Prinzipien, auf die ich zusteuerte, endlich umzusetzen. Hier legte ich die Grundlagen der Universalität:

  • Vereinheitlichte Entitäten. Monster, Gegenstände, Skills und Kartenobjekte sind gleichberechtigt – wie Wörter einer Sprache. Mit ECS lässt sich in wenigen Zeilen ein Zauber in ein Kartenobjekt verwandeln oder aus einem Item ein vollständiger Gegner machen.
  • Verschiedene Genres in einem System. RPG-Elemente (Klassen) stehen neben strategischen – Bauen, Regionskontrolle, Truppenverwaltung.
  • Flexible Settings. Der Hauptmodus nutzt prozedural generierte Karten, dazu gibt es eine Story-Map (Tutorial-Modus).
  • Unterschiedliche Spielstile. Solo oder mit Trupp (Klasse „Anführer“), Zauber als Magie – oder als Kult-Rituale im historischen Setting. Rohstoffabbau, Bauen, Crafting, Kämpfe und Looten.
  • Hex-Karte. Eine meiner besten, lange verfolgten Entscheidungen. In jedem Hex können Objekte platziert und damit interagiert werden.
  • Erweiterbarkeit. Schon jetzt lässt sich das Spiel leicht erweitern (kleine Updates): neue Biome, Items, Klassen, Modi – alles fügt sich einfach in das System ein. Früher war das zu aufwendig.

Next Run ist noch kein vollständig universelles Spiel, aber ein großer Schritt dorthin. Es adressiert außerdem den stärksten Kritikpunkt früher – die mangelnde Wiederspielbarkeit.

Was Spieler schon jetzt ausprobieren können

Next-Run-Screenshot

In der kostenlosen Demo sind drei Klassen verfügbar – Krieger, Magier und Handwerker. Jede Klasse entfaltet ihren Stil: von direkter Stärke und Magie bis zum durchdachten Spiel über Crafting und Item-Upgrades. Die Demo läuft bis zur dritten Höllenwelle und vermittelt ein gutes Bild davon, was das Spiel ausmacht.

In der Vollversion wird es mehr geben: alle 7 Klassen, Fortschritt bis zur finalen – achten – Welle, verschiedene Wege zum Sieg (militärisch, magisch, handwerklich usw.) sowie einen Sandkasten für freies Spiel.

Perspektiven

Pyramidenbau

Next Run ist nur der erste Schritt. Nun können wir zu alten Settings zurückkehren – aber auf völlig neuem Niveau.

In einer künftigen Strategie über das Mittlere Reich Ägyptens wird es statt abstrakter „Arbeiter“ namentliche Figuren geben: Wesire, Generäle, Pharaonen. Mit Skills, Gefolge, Ausrüstung. Sie können erkranken und sterben. Armeen in der Wüste an Durst zugrunde gehen.

Die Erschließung des Nils wird zu einer konkreten, vielschichtigen Aufgabe. Eine Baukolonne unter einem Baumeister errichtet für einen bestimmten König eine Pyramide. Ereignisse werden als Teil der Karte integriert. Man kann für verschiedene Figuren und Völker spielen.

Damit all das möglich wird, muss das Spiel leicht erweiterbar sein, sodass Unmengen an neuem Content schnell entstehen. Diese Möglichkeit gibt es jetzt. Universalität erlaubt Content, der das Spiel nicht nur erweitert, sondern auf ein neues Level hebt.

Genau für diese Vertiefung habe ich fast zehn Jahre gearbeitet.

Fast zehn Jahre Suche: von Egypt: Old Kingdom zu Next Run